Reisebericht Juli 2011, Ostdeutschland und Usedom

Lieber Leser,

die Hinfahrt (wohin stand zunächst garnicht fest) verlief etappenweise. Erst gab es einen Superstau am Kamener Kreuz. Mittendrin fotografierte ich einen Viehtransport aus NL.
Die BAB-Abfahrt zu Hermi (Detmold) verpassten wir durch eine unübersichtliche Baustelle. Die Fahrt führte uns durchs schöne Weserbergland; an der Porta Westfalica grüßte uns der Kaiser, dann wurde es kurz vor Hannover flacher.
Wir fuhren gen Norden durch die Lüneburger Heide. Von Celle aus ging es nordöstlich über die Landstraße bis nach Dannenberg. Heide gab es nirgends zu sehen und Heidschnucken entdeckten wir gerade mal fünf in einem Hausgarten in einer Stadt.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist bewaldet. Vom wochenlangen Großwaldbrand 1975 sieht man nichts mehr.
Die Elbbrücke führte uns in den Landkreis Ludwigslust. Dömitz war unser erstes Ziel. Wir blieben direkt neben der Festung Dömitz auf einem Parkplatz vor dem Elbdeich, der nicht so hoch ist wie der Rheindeich im Ruhrgebiet.
Hier gibt es riesige Überschwemmungsgebiete, durch die Flora und Fauna in ihrer Urprünglichkeit erhalten sind. Ein alter Lastkahn lag nachts vor Anker. Die Elbe ist längst nicht so stark vom Schiffsverkehr betroffen wie der Rhein, der der verkehrsreichste Strom der Welt ist. So fühlen sich an der Elbe die Tiere nicht sonderlich gestört.
In Dömitz scheint die Zeit vor vielen Jahrzehnten stehengeblieben zu sein. Es ist zwar restauriert und saniert worden, doch andere schöne Gebäude zerfallen, sehen aus wie nach einem Bombenangriff.
Der schöne, ursprüngliche Charakter des Ortes wurde erhalten. Für Romantiker ist Dömitz nur zu empfehlen, für Rollstuhlfahrer aufgrund der vielen Pflastersteine eher weniger.

Elbbrücke bei Dömitz Dömitz bei Nacht Morgenstimmung am Elbdeich
alte Eisenbahnbrücke Dömitz - 20. April 1945 durch Bombenangriff zerstört Festung Dömitz Bahnhof Malliß heute

Meine Mutter lebte bis zum Einmarsch der Russen in Malliß. Sie floh mit 14 Jahren gemeinsam mit ihrer Schwester (damals 16) durch die Hintertür, nachdem Soldaten der Roten Armee den bellenden Schäferhund erschossen hatten.
In einem Schlauchboot brachte man die beiden Mädels in einer Nacht- und Nebelaktion über die Elbe in den Westen.
Traudi und ich durchquerten Malliß, fragten kurz vor Ortsausgang nach dem Weg nach Kamerun. Freundlich aber etwas unsicher erteilte man uns Auskunft. Wir folgten der Beschreibung. Dann sah ich ein Schild, das zu einer Ziegelei führte.
Aha, mein Großvater (hab die Großeltern und auch den Onkel nie kennengelernt) arbeitete einst in einer Ziegelei in Malliß. Die Straße führte durch einen Wald. Dann ging es links zur Ziegelei. Die Anlage sah sehr alt und zerfallen aus, auch die Wohnhäuser an der Straße waren selten wiederhergestellt. Ein altes Schulgebäude war zu erkennen, sogar Fachwerkhäuser waren dabei. Erst am Ende der Straße erreichten wir die neue Ziegelei.
Zurück zur Abbiegung fuhren wir zur westlichen Seite. Ich erkannte sofort ein Bahnhofsgebäude. Rechts aber befand sich ein Haus mit den alten, typischen Bahnhofslettern "Malliß". Aha, das Bahnhofsgebäude war zu einem Wohnhaus umgebaut worden; genauso waren die anderen Häuser hier.
Wir fragten ebenfalls die Postbotin nach dem Weg nach Kamerun. Sie meinte, dass der Herr dort drüben mehr über Malliß wisse. Dieser kam herbei und erklärte uns, dass nur ein einziges Haus in Malliß abgerissen wurde seit dem Krieg. Alle anderen blieben erhalten.
Nun fuhren wir über eine kleine Brücke und überquerten den Kanal, von dem meine Mutter oft sprach. Am Kanal entlang führte die Straße östlich. Der Maler Monet hätte hier viele Motive gefunden.
Wir kamen nach Kaliß und erreichten die Landstraße nach Ludwigslust. Wir wollten aber Mutters Cousine und deren Tochter in Grabow besuchen. Leider war niemand von ihnen daheim. Der Vater der Cousine lebte einst in Essen. Weil es dort keine Arbeit mehr für ihn im Ruhrgebiet gab, zog er in den Osten. Dann kam der Krieg und dann die Teilung Deutschlands. So spielt das Schicksal seltsame Spiele.
Nun sollte ... nun musste ich Stuer ansteuern. Die Bären im Bärenwald Müritz am Plauer See warteten ja schon viel zu lange auf mich. Die Wege dort sind abenteuerlich aber ich schob meinen Rollator tapfer übers Geröll. Kiro eignete sich dabei als genialer Schlittenhund. :-o Traudi entdeckte den ersten Bären im Gebüsch und machte ein Foto von Mischa (oder war es Otto?).
An anderen Stellen entdeckten wir weitere Bären, konnten die einzelnen Bären aber nicht ihren Namen zuordnen. Traudi machte sogar einen kurzen Film von einem Tatzentier. Leider waren zum Schluss sämtliche Akkus leer und so konnten wir keine weiteren Fotos mehr machen als gerade die Fütterung begann.
Nun ja, den Tieren geht es jetzt gut und nur das zählt.

Teddies als Lebensretter endlich frei Fütterung

Röbel/Müritz Mühle Röbel Hundeparkplatz

Röbel ist an der Müritz und fast nur einen Katzensprung vom Plauer See entfernt. Hier fuhren wir den ersten Campingplatz an, wo wir endlich die Akkus der Kameras und die des Handys aufladen konnten.

Am nächsten Tag machten wir eine lange Wanderung bis nach Röbel hinein. Wir schafften es tatsächlich bis zur Mühle, die von Traudi besichtigt wurde. Die andere Hälfte des Ortes aber ließen wir unentdeckt. Wir suchten ein schönes Restaurant auf und stillten Hunger und Durst. Kurz vor der Dunkelheit erreichten wir wieder unseren schönen Campingplatz.
Jetzt waren wir so weit im Osten, dass es mich überkam, Traudi zu einer Weiterfahrt nach Usedom zu überreden. Nun hatte ich endlich mal die Chance, Peenemünde zu besuchen.
In einer Stadt vor Wolgast kauften wir in einem Nettoladen ein. Der Hund Kiro nahm dort erst ein Kneippbad in einer tiefen Pfütze.
Dann setzte er sich brav auf den Hundeparkplatz. (Foto).
Der Verkehr wurde dichter, quälte sich durch Wolgast, dann über die Brücke, um auf die zweitgrößte Deutsche Insel zu gelangen. Hier trifft sich scheinbar halb Ostdeutschland auf den Campingplätzen. ;-)
In Peenemünde besichtigte Traudi ein Sowjet-U-Boot, während ich Thilo Elsner, den Leiter der Sternwarte Bochum anrief. Dieser fand es klasse, dass ich nun endlich den Weg nach Peenemünde geschafft hätte. So gab er mir den Rat, das Museum in Peenemünde zu meiden. Ich solle mich vielmehr am Flughafen Peenemünde nach dem "Pommerschen Bettenmuseum" erkundigen. Dort würde ich die Dinge sehen können, die mich interessierten, da diese Sachen dort mit ausgestellt würden.
So gelangte ich zum Hafen in Karlshagen (nein, das ist kein Vorort von Hagen/ Westf. im Ruhrgebiet ;-) ).
Wir klapperten noch erfolglos einige Campingplätze ab, entschieden uns für eine Übernachtung am Hafen in Karlshagen.
Am nächsten Morgen sah ich einen Mitarbeiter in Arbeitskluft am Museum. Dieser erklärte mir alles über die von mir begehrten Teile. Diese seien an gesicherten Orten untergebracht und eingelagert worden, bis im nächsten Jahr ein neues Museum auf dem Gelände eines Bauern in Peenemünde entstünde.

ein langgehegter Traum wird wahr Wernher von Braun V2 Pommersches Bettenmuseum Karlshagen

Traudi hatte inzwischen eine unliebsame Begegnung mit dem Hafenmeister. Darum war ihre Laune dahin. Der Akku des Handys war auch wieder leer. So suchten wir unterwegs ein öffentliches Telefon auf. Traudi hielt am Straßenrand, während ich mit Joachim Saathoff telefonierte. Der Verkehr wurde lauter, denn ein Laster kam nicht ganz an Traudis Wohnmobil vorbei, ohne die Bäume zu streifen. Sie fuhr den Wagen etwas vor und hielt vor einer Einfahrt. Ich hingegen verstand kaum noch etwas von dem, was Achim mir am Telefon erklärte. Das Geld im Münzautomaten war aufgebraucht und ich eilte zu Traudi, die inzwischen lautstarken Ärger mit einem Ordnungsbeamten hatte. Ich erkannte die Situation schnell. Traudi hatte die einzige Möglichkeit genutzt, stand somit etwas vor der Feuerwehrausfahrt. Ich schrie laut, dass der Beamte wohl sehr recht hätte, ich aber zu ihr gehöre und sie mich somit nicht behindere. Sie hätte einem Laster Platz gemacht.
Der Beamte schrie, dass wir überhaupt nichts verstehen würden. Er blieb bei seinen Vorwürfen, fragte uns noch, wo denn der Laster sei.  Er wurde offensichtlicfh ängstlicher, stieg in seinen Wagen und verschwand.

Für Traudi war der Tag nun vollends gelaufen. Wir kamen nun auch zu spät in Peenemünde am Flughafen an.
So fuhren wir über die Insel und suchten uns einen Campingplatz. Alles war überfüllt aber so kamen wir letztendlich auf einen abgelegenen Campingplatz im Paradies 'Ückeritz Stagnieß'. Hier blieben wir drei Nächte bis zur Heimfahrt.
Leider konnte Traudi nicht kochen, denn es regnete ins Wohnmobil rein. Traudi ist aber in der Rechtsschutzversicherung, kann also beruhigt bleiben.

Insel Ruden die Bombe ist geplatzt Zeitzeugen des 3. Reichs

Gefährliche Gegend Kormorane - Boten des Todes Sturzflug

Auf dem Flughafen Peenemünde sah ich den netten Arbeiter vom Karlshagener Hafen an einer Baracke wieder, der sich dort mit einem Flughafenmitarbeiter am offenen Fenster unterhielt. Von weitem rief er sichtlich erfreut: „Ach, da kommt ja der Kollege.“
Ich gesellte mich zu den beiden und berichtete über die offensichtlich altertümlichen Beamten auf Usedom.

Achim Saathoff war Flieger der MIG, die an der Einfahrt des Flughafens als Denkmal ausgestellt ist.  Traudi hatte inzwischen schon die Rundfahrt bezahlt und so stiegen wir in einen der Bullys ein.
Das Wetter wurde zunehmend schlechter. Die steife Brise war eh stetig, brachte uns oft Schauer bzw. länger andauernden Regen. So verlief die Fahrt zunächst über das Flughafengelände, später über andere für die Öffentlichkeit unzugängliche Bereiche. Hier konnten wir noch durch die Autoscheiben fotografieren. Als der Regen einsetzte erschwerte dieser durch Tropfen und beschlagene Scheiben innen die Sicht.
Themata des pausenlos daherredenden Achims waren historisch-militärische Zeiten der Wehrmacht, der Sowjetarmee, der NVA und vor allem, was ganz besonders den Naturschützer interessiert, die quasi Unberührtheit der Natur. Lediglich Jäger interessieren sich für die vielen Wildschweine. Diese dürfen beizeiten geschossen werden.
Auffallend und besonders beeindruckend waren hunderte von Kormoranen, die in den Sümpfen die kahlen Bäume besiedeln. „Die Boten des Todes“ oder so ähnlich werden sie ob dieses gespenstisch anmutenden Gesamtbildes genannt.
Viel zu schnell sind die 90 Minuten um. Wir werden diese Fahrt nicht so schnell vergessen.
 
Nun aber sollte Traudi endlich ihre Wünsche erfüllt bekommen. Wir fuhren an der Küste der Ostsee entlang Richtung Polen. Irgendwo parkten wir und gingen an den schönen Ostseestrand, wo wir uns in den Sand setzten, was Kiro ganz besonders gut gefiel.
Später besuchten wir Heringsdorf, parkten das Wohnmobil ganz frech auf der Promenade, fotografierten einige der kaiserlichen Villen und fuhren hinter den Ahlbecker Villen vorbei nach Sweenemünde. Hier aber gefiel es uns garnicht und wir fuhren über eine andere Straße wieder nach Deutschland zurück.

kleine Seemöwe Ostseestrand Heringsdorfer Strand

Einen Tag später fuhren wir in andere Paradiese. Erst besuchten wir die Ausstellung „Welt der Erfindungen“ in Pudagla. Die Straußenfarm einen Kilometer dahinter hatte an diesem Tag geschlossen.
In Mellenthin fotografierten wir das Wasserschloss. Weiter ging es über Alleen durch die idyllischen Dörfchen Krienke und Rankwitz in das Paradies „Lieper Winkel“ nach Warthe. Hier stellten wir unser Wohnmobil ab und erfreuten uns an der herrlichen Natur. Zwei Fischerboote lagen am Ufer im Schilf am Steg und etwas weiter enfernt stritten sich die Möwen um den  besten Sitzplatz. An den riesigen, alten Weiden waren Holzstaken aufgestellt, und Teile eines Reetdaches lagen auf der sonnenbestrahlten Wiese. Wir tummelten uns am Ufer und auf einmal zog ein riesiger Schwarm Graugänse in eleganter Formation und mit markantem Geschrei an uns vorüber. Einige entzückende alte, aber gut erhaltene Häuschen ließen uns überlegen, ob wir unseren Alterruhesitz hierher verlegen möchten. Nach einigen Entspannungsübungen in Einheit mit der Natur setzten wir unsere Fahrt nach Usedom-Dorf und Karnin, wo sich die alte Eisenbahnhubbrücke noch gut erhalten präsentiert, fort. Dann traten wir für diesen Tag die Rückreise an, die uns an der Zecheriner Klappbrücke vorbeiführte und durch die herrlichen sonnenbeschienen Wiesen mit Schafen und Kühen. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

alte Silberweiden Lieper Winkel, Peenestrom Zecheriner Klappbrücke

Am Freitag traten wir endgültig die Rückreise nach Grafenwald über Hamburg und Bremen an. Leider behinderten Starkregen und viele Staus und Baustellen ein zügiges Vorankommen, sodass wir erst um ein Uhr nachts zu Hause ankamen.


Liebe Grüße,

Ludger und Traudi